Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt

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Editorial PRO 4/2024

Versorgungsgesetz mit Licht und Schatten

Sehr geehrte Kollegin, sehr geehrter Kollege,

seit einigen Tagen liegt der Entwurf eines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) vor. Es handelt sich dabei um eine inoffizielle Fassung eines Entwurfes. Was auch immer inoffizielle Entwürfe sein mögen, sie führen jedoch mindestens zu weiteren zeitlichen Verzögerungen. Die geplanten Regelungen zeigen, in welche Richtung Gesundheitsminister Lauterbach denkt. Gut ist die Absicht, die Bagatellgrenzen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung deutlich zu erhöhen, so dass eine Vielzahl lästiger Regresse wegfallen würde. Auch das Erhören unseres Rufes nach mehr Studienplätzen findet sich im Entwurf wieder, wenn auch in einer sehr komplexen Regelung, die durch die Länder umgesetzt werden kann. Es sind zudem einige gut klingende Ansätze enthalten, die sich beim Lesen der konkreten Regelung jedoch als kaum umsetzbar erweisen sowie ein hohes Maß an Umverteilung von Honorar nach sich ziehen können. Hier muss dringend nachgebessert werden, so dass die geplante Entbudgetierung bei den Hausärzten und die hausärztliche Jahres- und Vorhaltepauschale auch positiv wirken. Daher kann noch keine wirkliche Freude aufkommen. Schon gar nicht über die langsame Umsetzung von der Ankündigung bis zu einem offiziellen Gesetzesentwurf und der Umsetzung der Regelungen in der Praxis. Es bedarf nun im ersten Schritt einer Entbudgetierung der Hausärzte, die den Regelungen zur Entbudgetierung der Kinderärzte folgt. Komplexe Eingriffe in die Vergütungssystematik durch Jahres- oder Vorhaltepauschalen müssen mit Augenmaß betrachtet werden oder in einem zweiten Schritt folgen.

Was überhaupt nicht geregelt wird in dem Entwurf, ist die Entbudgetierung der Fachärzte. Den Haus- und Fachärzten sowie Psychotherapeuten endlich die erbrachten Leistungen vollständig zu bezahlen und damit vielleicht zu motivieren, mehr und ein paar Jahre länger zu arbeiten, ist eine wichtige Sache. Das könnte den Mangel etwas kompensieren.

Doch um die Zukunft der wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung zu sichern, muss mehr passieren. Auch darauf geht der GVSG-Entwurf ein: Bundesländer, die zusätzliche Medizinstudienplätze schaffen, könnten ab 2026 mit einer Kofinanzierung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung unterstützt werden. Ziel ist, aus diesem Förderfonds bis zu 3100 Medizinstudienplätze dauerhaft mitzufinanzieren. Wir brauchen mehr Medizinstudierende. Wir brauchen mehr Studenten aus Sachsen-Anhalt, mehr Absolventen, die in Sachsen-Anhalt bleiben und sich niederlassen, besonders im ländlichen Raum. Wir wissen, dass wir Ministerpräsident Haseloff hinter uns haben, wenn es um die Erhöhung der Vorabquoten geht. Wir hoffen auch auf seine Unterstützung, wenn es um mehr Medizinstudienplätze geht.

Was steht noch im Referentenentwurf? Es soll Gesundheitskioske geben, in denen zu Behandlung und Prävention beraten wird, geleitet von Pflegefachkräften. Ob und wieviel wir davon wirklich in Sachsen-Anhalt benötigen, wird die Zeit zeigen. Gesundheitsregionen sollen eine Alternative der Regelversorgung ohne Einschreibepflicht der Versicherten bieten. Immer beruhend auf Initiative von Kommunen oder Kassen sowie auf Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung, teilweise auch durch Kommunen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier unnötig Parallelstrukturen aufgebaut werden sollen. Es fehlt überall an qualifiziertem Personal. Und nun sollen Gebilde geschaffen werden, die den Mangel an Fachkräften eher noch erhöhen. Das muss nicht sein: Die ambulant tätigen Ärzte sind in der Fläche präsent und vernetzt. Sie und ihre Praxisteams behandeln und beraten unvoreingenommen jeden Patienten.

Und falls Sie sich aktuell über Ihre nicht reibungslos funktionierende Praxissoftware ärgern: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will für Transparenz sorgen. Anbieter von Praxissoftware können einen Vertrag mit der KBV schließen und damit einsehbar zeigen, dass sie notwendigen Anforderungen erfüllen. Vorteil für Praxen: Preistransparenz, Sicherheit, Service… im Überblick. Wir alle wissen nur zu gut: Funktioniert die Praxissoftware reibungslos – diese Tage soll es geben – ist ein wesentlicher Stressfaktor im Praxisalltag genommen. An diesem Thema muss dringend weitergearbeitet werden, um die wertvolle Arbeitszeit der Praxen für die Versorgung einsetzen zu können.

Ihr
Jörg Böhme